Säuglingsnahrung ohne Kuhmilchproteine kann Typ-1-Diabetes nicht verhindern
Helsinki – Eine hydrolysierte Säuglingsnahrung, die frei von potenziell antigenen Kuhmilchproteinen ist, hat in einer ambitionierten randomisierten Studie die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes bei Kindern mit erhöhtem Risiko nicht verhindern können, wie die jetzt im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2018; 319: 38–48) veröffentlichten Ergebnisse zeigen.
Der Typ-1-Diabetes, der sich meist im Kindes- oder Jugendalter manifestiert, beginnt vermutlich bereits im Säuglingsalter. Als Ursache wird eine fehlende Toleranz auf Insulin oder andere Antigene der Inselzellen angenommen. Die späteren Diabetiker entwickeln bereits in den ersten Lebensjahren Autoantikörper, die später die Zerstörung der Inselzellen einleiten. Säuglinge mit zwei der mehr Autoantikörpern in Blut erkranken zu 70 Prozent in den folgenden zehn Jahren an einem Typ-1-Diabetes.
Eine Reihe von epidemiologischen und immunologischen Untersuchungen hatte Anfang des Jahrhunderts zu der Vermutung geführt, dass Kuhmilch-Proteine in der Säuglingsnahrung ein Auslöser für die fehlende Toleranzentwicklung sein könnten. Dies veranlasste ein Team um Mikael Knip von der Kinderklinik der Universität Helsinki 2002 zu einer Studie, an der in 15 Ländern (deutsche Beteiligung: Kinderkrankenhaus auf der Bult, Hannover) 2.159 Säuglinge teilnahmen.
Der TRIGR (Trial to Reduce IDDM in the Genetically at Risk) sollte untersuchen, ob eine Säuglingsnahrung, die weitgehend frei von (potenziell antigenen) Proteinen war, den Ausbruch der Erkrankung verhindern kann. Die Säuglinge, die aufgrund eines ungünstigen HLA-Typs und einer positiven Familienanamnese (mit einem erkrankten Verwandten ersten Grades) ein erhöhtes Erkrankungsrisiko hatten, wurden auf zwei Gruppen randomisiert.
In der ersten Gruppe sollten die Mütter nach dem Abstillen eine Säuglingsnahrung verwenden, deren Kuhmilch-Proteine durch eine Hydrolysierung soweit zerkleinert waren, dass sie vom Immunsystem nicht mehr als Antigene erkannt werden. Die zweite Gruppe verwendete eine konventionelle Säuglingsnahrung, die vom Geschmack her der hydrolysierten Säuglingsnahrung angeglichen war.
Die Mütter begannen im Durchschnitt im Alter von zwei Monaten mit dem Zufüttern der Säuglingsnahrung und verwendeten diese über etwa zehn Wochen. Primärer Endpunkt der Studie war die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes. Die Kinder wurden median 11,5 Jahre nachbeobachtet.
Während dieser Zeit erkrankten in der Gruppe mit der hydrolysierten Säuglingsnahrung 8,4 Prozent der Kinder an einem Typ-1-Diabetes, in der Kontrollgruppe waren es nur 7,6 Prozent, also anders als erwartet nicht mehr, sondern weniger Kinder. Die Differenz von 0,8 Prozent war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von minus 1,6 bis 3,2 Prozent jedoch statistisch nicht signifikant. Die Kinder erkrankten durchschnittlich im Alter von sechs Jahren am Typ-1-Diabetes, im Mittel etwa vier Jahre nach dem Auftreten der ersten Antikörper.
Die Studie kann damit nicht beweisen, dass Kuhmilch-Antigene eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Typ-1-Diabetes spielen. Ein Misserfolg der Studie hatte sich bereits vor vier Jahren abgezeichnet. Damals hatte Knip berichtet, dass die hypoallergene Säuglingsnahrung die Entwicklung von Autoantikörpern in den ersten Lebensjahren nicht verhindern konnte (JAMA 2014; 311: 2279–2287). © rme/aerzteblatt.